Karin Gillardon (FDP/Bürgerliste) am 23. Februar 2016
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats, sehr geehrte Damen und Herren,
die Verabschiedung des Haushaltsplanes bietet mit der Haushaltsrede traditionell die Gelegenheit zu grundsätzlichen, aber auch aktuellen Überlegungen zur städtischen Politik. Was hat man erreicht, wie sind die Zukunftsplanungen oder besser Zukunftsvisionen?
Über die budgetäre Situation haben sich meine Vorredner schon ausführlichst geäußert, nur soviel: Auch wir sind froh, dass es ohne Gebührenerhöhungen, neue Schuldenaufnahme und sogar mit Schuldentilgung gelungen ist, einen ausgeglichenen Haushalt zu präsentieren. Die Pro-Kopf-Verschuldung konnte weiter zurückgeführt werden und liegt nun bei 665 Euro pro Einwohner. Dies ist allerdings nur die halbe Wahrheit: Wenn man die Stadt als „Konzern“ mit all ihren Beteiligungen und Schulden, für die sie bürgt, hinzurechnet, liegen wir bei circa 2.300 € pro Kopf. Dem stehen jedoch hohe Vermögenswerte gegenüber! Investitionen in Infrastruktur kosten Geld, sind aber zugleich wichtige Investitionen in die Zukunft und Daseinsvorsorge für die Bürgerschaft. Insofern ist die Höhe der Gesamtverschuldung relativ!
Wie üblich ist schon viel und in schönster Prosa gesagt, einige uns wichtige Themen will ich aber anschneiden:
Die Hochwasserereignisse von 2013 und 2015 werden jetzt endlich ernst genommen. Den zahlreichen Betroffenen muss man ihre Ungeduld nachsehen – so ist jetzt endlich nach fast drei Jahren ein Zweckverband in Gründung, der 10 Gemeinden am Saalbach einschließt und die dringend notwendigen Maßnahmen zur Hochwasserprävention koordiniert und beauftragt. Im städtischen Haushalt sind mittelfristig bis 2018 als Verpflichtungsermächtigung 3,8 Millionen Euro eingestellt, dafür allein für dieses Jahr in der Summe 412.000 Euro für Maßnahmen am Saalbach von Diedelsheim bis Rinklingen. Das beauftragte Fachbüro hat mit Zustimmung des Rats diese Priorität gesetzt. Eine Fortführung der Planung Saalbach aufwärts muss aber dringend folgen.
Die „Baach“, wie sie im Brettener Volksmund genannt wird, ist die ganzen Jahre ziemlich stiefmütterlich behandelt worden. Dabei ist ein Flusslauf (wenn er nicht gerade über die Ufer tritt) im Stadtgebiet etwas lebendiges und sollte stadtbildgestalterisch genutzt werden für eine möglichst durchgängige Grünzone mit Bänken, als Fuß- und Radweg ab Breitenbachweg bis vor zur Alten Post.
Im Zusammenhang mit der Grünzone hatten wir bereits in den letzten Haushaltsreden vom sogenannten „Bermuda-Dreieck“ gesprochen, dem Areal zwischen Gottesackertor, Melanchthonstraße und Alte Post-Wilhelmstrasse. Dies sollte als Sanierungsgebiet für eine Neuordnung ausgewiesen werden. Aufmerksam nehmen wir inzwischen zur Kenntnis, dass vorbereitende Untersuchungen laufen. Warum allerdings für weitere Verfahrensschritte die Ergebnisse des ISEK abzuwarten sind, erschließt sich uns nicht.
Breitbandversorgung gehört nicht zur Daseinsvorsorge, ist aber ein gravierender Standortvorteil für Industrie, Gewerbe und Private und heute unabdingbar auch für ländliche Regionen. So bleibt zu wünschen, dass das privatwirtschaftliche Angebot der BBV, Bretten und die Ortsteile mit Breitband zu versorgen, im Vorfeld genügend Verträge, insbesondere mit Gewerbetreibenden aber auch Privathaushalten, abschließen kann, damit das Vorhaben realisiert wird.
Dass Bretten einen guten Mix von Industrie, Handel und Gewerbe hat, schlägt sich in der ansehnlichen Höhe der Gewerbesteuer von voraussichtlich 19 Millionen Euro nieder. Mit dem neu zu erschließenden Abschnitt 7 des Gölshäuser Industriegebiets wäre dies dann vollends ausgeschöpft. Zwar gibt es für diesen Abschnitt unseres Wissens noch keine Warteschlange, trotzdem müssen wir vorsorgen und ein neues Industriegebiet ausweisen. Wir sehen, wie zähflüssig und langwierig die bürokratischen und regionalplanerischen Vorgänge sind. Zunächst dürfen wir mal gespannt sein auf die angekündigte sogenannte „Potenzialanalyse“.
In früheren Haushaltsreden haben wir schon darauf hingewiesen, dass wir einen Standort in der Nähe des Karlsruher Dreiecks, also zwischen Rinklingen und Dürrenbüchig, vorschlagen. Dies gilt umso mehr, als wir nach wie vor eine Südumfahrung ab B294 / Sprantaler Straße zum Karlsruher Dreieck am sinnvollsten halten mit Anbindung an das Neubaugebiet Steiner Pfad und Rinklingen und eben besagtes Industriegebiet. Was liegt also näher als ein Industriegebiet da anzusiedeln, wo die Ausfallstraßen zusammenkommen? Und wir sollten endlich damit aufhören, innerstädtische Flächen, die wir dringend für Wohnbaumaßnahmen benötigen, für utopische Varianten zu blockieren!
Nicht zuletzt durch die anhaltende Flüchtlingswelle steht Wohnraumbeschaffung auch bei uns ganz oben auf der Agenda. Mit weiteren Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge, realisiert von der Städtischen Wohnbau, werden Investitionen für Wohnbauten in Millionenhöhe getätigt, die allerdings auf 20 Jahre an den Landkreis vermietet werden. Unsere Bauinvestitionen „rechnen“ sich dadurch.
Im übrigen haben wir seit Jahren hochgradig Nachholbedarf nach „bezahlbarem“ Wohnraum, sprich Sozialwohnungen. Daher auch unser eindeutiges Votum für einen Sozialwohnungsbau am Knittlinger Weg in Gölshausen, wenn auch zugegebenermaßen das Umfeld derzeit nicht optimal ist. Wir sind uns aber im Klaren, dass in Kürze alle in die weitere Diskussion eingebrachten, verfügbaren Flächen gebraucht werden, nicht zuletzt auch für die erforderliche Anschlussunterbringung, die die Stadt auf eigene Kappe nehmen muss. Ein weiteres großes Projekt an der Schießmauer mit zwei getrennten Gebäudeteilen, einer als Gemeinschaftsunterkunft, der andere als Anschlussunterbringung, wird geplant.
Zu bedenken gilt es allerdings: bei einer solch hohen Ansammlung von Flüchtlingen bleiben Konflikte und Ghettobildung möglicherweise nicht aus. Dem sollte man vorbeugen, indem man Freiflächen schafft, z.B. für einen Kinderspielplatz und Bolzplatz. Hierzu könnten wir uns vorstellen, in einem weiteren Schritt die von der VAB genutzten Hallen auf das Areal des alten Güterbahnhofs zu versetzen. In seinem östlichen Teil ist eine ungenutzte Brachfläche, die sich zusammen mit den später frei werdenden LKW-Parkplätzen gut dafür eignen würde.
Da offensichtlich für Bretten laut Statistischem Bundesamt ein Bevölkerungszuwachs von 4.000 Personen in den nächsten Jahren prognostiziert wird, sind wir gefordert, sowohl in den Stadtteilen als auch in der Kernstadt über weitere Neubaugebiete nachzudenken. Wir plädieren dafür, Steiner Pfad II baldigst zu erschließen.
Im Haushalt 2016 ist die Erschließung des Fibron-Mellert-Geländes mit zunächst 400.000 Euro angesetzt, im Folgejahr mit 592.000 Euro. Dies lässt hoffen, dass die uns im vorigen Jahr vorgestellten Dienstleister bei der Stange bleiben und sich hoffentlich nicht anderweitig orientiert haben. Um das Gelände ist es nach dem Moschee-Debakel merkwürdig still geworden. Für eine Information über den Stand der Akquisitionen wären wir dankbar!
Bretten steht vor dem Jubiläumsjahr 2017 – 1250 Jahre Bretten. Dieses Ereignis wirft schon seine Schatten voraus. Grund genug für uns, wiederholt darauf hinzuweisen, dass die Stadt dringend ihre Grünanlagen und Stadtbahnhaltestellen „auf Vordermann“ bringen muss, z.B. was Sauberkeit, Sitzbänke, Papierkörbe und Beschilderungen angeht. Die Barrierefreie Erreichbarkeit der Bahnsteige am Bahnhof ist ein Dauerthema. Doch hierfür ist die Bahn zuständig, die uns schon seit Jahren hin hält. Ob ein sogenannter „Citymanager“ die Stadt bereits zum Jubiläumsjahr 2017 auf Vordermann bringen kann? Dafür ist wahrscheinlich die Zeit zu kurz. Aber da wir ja schließlich über 2017 hinausdenken müssen, ist es einen Versuch wert. Eine Finanzierung sollte jedoch nur unter der Bedingung erfolgen, dass sich der Einzelhandel mit der Hälfte beteiligt. Vermutlich werden sich da die Geister scheiden.
Vom Citymanager nun schließlich zur „City“ und damit zur Sporgassenbebauung, die seit Veröffentlichung eines Planungsvorschlags heftig die Gemüter erhitzt: Hier gibt es einen Investor, der sowohl ein Ärztehaus – für das er auch die Mehrzahl der Mieter parat hat – als auch ein Parkhaus auf eigene Kosten auf dem jetzigen Sporgassenparkplatz bauen will. Es gilt, der Abwanderung von Ärzten vorzubeugen und Frequenz zu erzeugen. Auch wenn es keine 800 Personen sein sollten, so ist das immerhin mehr als der jetzige ruhende Verkehr produziert. Wir sagen
JA zum Ärztehaus als westliche Randbebauung, aber entschieden NEIN zum Parkhaus.
Wie gesagt, wir können uns mit der Planung des Ärztehauses anfreunden, wenn der Planer darunter eine Tiefgarage für Bedienstete und Patienten vorsieht. Im weiteren Schritt wäre – im nördlichen Teil unterhalb von Laurentiuskirche und Altem Friedhof – eine Wohnbebauung mit Tiefgarage wünschenswert. Eine Tiefgarage dort könnte vorab als Fundament für eine spätere Wohnbebauung dienen. Der dadurch entstehende Mehrwert durch das bereits vorhandene Fundament ist als Ausgleich zu sehen für die Mehrkosten beim Bau einer Tiefgarage. Ein kompetentes Planungsbüro sollte hierfür beauftragt werden.
Da, wo Menschen wohnen, ist auch Leben, und das nicht nur montags bis freitags.
Wir verzichten auf das Ungetüm Parkhaus. Die so gewonnene Freifläche (wie viele Stellplätze?) kann weiterhin für offenes Parken, Märkte oder einen verkleinerten Vergnügungspark an Peter und Paul genutzt werden. Wir meinen, ein verkleinerter Vergnügungspark täte dem Fest wahrlich keinen Abbruch und über die Finanzierungslücke ließe sich wohl mit der Stadt verhandeln. Übrigens, das Prädikat „Immaterielles Kulturerbe“ wurde doch nicht für den Rummelplatz verliehen, sondern für die authentische Darstellung des mittelalterlichen Lebens in Bretten um 1504!
Eine pfiffige Glasüberdachung eines Teils des Platzes Richtung Weißhofergalerie, ggf. unter Einbezug der Spitalgasse, gäbe dem Quartier eine moderne Note und würde eine Anbindung an den Marktplatzbereich signalisieren.
Fazit: Nach der kürzlichen Infoveranstaltung, den zahlreichen Meinungsäußerungen pro und contra in den Medien und Gesprächen mit Bürgern sollten wir uns nicht unter Druck setzen lassen und alles Für und Wider eingehend diskutieren. Wir sind sicher, dass wir ohne Zeitdruck einen guten Kompromiss finden, mit dem wir alle gut leben können. In diesem Zusammenhang möchten wir anregen, die Altstadtsatzung von 1980 zu überarbeiten und dem heutigen Zeitgeschmack mit der notwendigen Sensibilität anzupassen.
Bei diesen Punkten möchte ich es bewenden lassen. Wir von der FDP/Bürgerliste hoffen und wünschen, dass alle im Haushalt 2016 budgetierten Investitionen wie geplant mit dem vorhandenen und noch aufzustockenden Personalstand erfolgreich abgearbeitet werden können.
Ihnen, Herr Pux, gilt besonderer Dank für Ihr erfolgreiches „Haushalts-Debüt“ sowie den beteiligten Ämtern und natürlich der Verwaltungsspitze.
Wir danken aber auch unseren Kolleginnen und Kollegen für gemeinsame Entscheidungen zum Wohle unserer Stadt. Nicht zuletzt danken wir allen mit der örtlichen Flüchtlingsunterbringung befassten Ämter und allen Bürgerinnen und Bürgern, die sich in jedweder Art ehrenamtlich für die Flüchtlinge einsetzen.
Wir stimmen dem Haushalt 2016 sowie dem Wirtschaftsplan des Eigenbetriebs Abwasser zu.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Karin Gillardon
Für die FDP/Bürgerliste